Ein Zwischenurteil gem. § 99 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) über die verlängerte Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 der Abgabenordnung (AO) wegen Steuerhinterziehung nach § 370 AO kann nicht ergehen, wenn Feststellungen über Grund und Höhe des jeweiligen Steueranspruchs und damit zum objektiven und subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung fehlen. Dies entschied der Bundesfinanzhof (Az. II R 39/21).
Im Streitfall war der Kläger Alleinerbe seiner im Februar 2007 verstorbenen Ehefrau. Kurz vor ihrem Tod hatte die Ehefrau Wertpapiere in eine gemeinsam mit ihrem Ehemann abgeschlossene Lebensversicherung eingebracht. Das Finanzamt bat das Nachlassgericht mit Schreiben vom 15.03.2007 um Amtshilfe und um Mitteilung eines Nachlassverzeichnisses. Auf Veranlassung des Nachlassgerichts reichte der Kläger ein Nachlassverzeichnis ein. Darin gab er die Übertragung der Wertpapiere auf die Lebensversicherung nicht an. Das beklagte Finanzamt ging von einem zu erfassenden Erwerb unter dem Freibetrag in Höhe von 307.000 Euro aus. Aus diesem Grund forderte das Finanzamt zu diesem Zeitpunkt keine Erbschaftsteuererklärung an und setzte auch keine Erbschaftsteuer fest. Als der Kläger das Finanzamt mit Schreiben vom 30.12.2014 erstmals über die Übertragung der Wertpapiere seiner Frau auf die gemeinsame Lebensversicherung informierte, erließ das Finanzamt einen mittlerweile bestandskräftigen Schenkungsteuerbescheid sowie einen Erbschaftsteuerbescheid vom 12.01.2015 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung im Schätzwege, mit dem es Erbschaftsteuer festsetzte. Hierbei berücksichtigte es einen entsprechenden schenkweise erhaltenen Vorerwerb. Zudem forderte das Finanzamt den Kläger zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung auf. Gegen den Erbschaftsteuerbescheid legte der Kläger Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens setzte das Finanzamt mit Änderungsbescheid vom 02.03.2015 Erbschaftsteuer fest. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das Finanzamt zurück. Es hielt die verlängerte Festsetzungsfrist von zehn Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 AO) wegen Steuerhinterziehung auch in Bezug auf die Erbschaftsteuer für einschlägig. Zum einen habe der Kläger eine Steuerhinterziehung in Bezug auf die verschwiegene Vorschenkung begangen, zum anderen habe der Kläger durch das fehlerhafte Nachlassverzeichnis eine Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) in mittelbarer Täterschaft begangen.
Hiergegen erhob der Alleinerbe Klage, mit der er sein Begehren der Aufhebung des Erbschaftsteuerbescheids wegen eingetretener Festsetzungsverjährung weiterverfolgte. Das Finanzgericht Nürnberg stellte mit Zwischenurteil zur Festsetzungsverjährung fest, dass bei Ergehen des Erbschaftsteuerbescheids vom 12.01.2015 die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war. Der Kläger habe eine Steuerhinterziehung in Bezug auf die Erbschaftsteuer dadurch begangen, dass er die Anzeige des Vorerwerbs vom 22.02.2007 unterlassen habe. Eine Steuerhinterziehung des Klägers durch unrichtige Angaben gegenüber dem Nachlassgericht sah das Finanzgericht Nürnberg sowohl in unmittelbarer als auch mittelbarer Täterschaft für nicht gegeben an.
Der Bundesfinanzhof hob das Zwischenurteil auf und wies die Revision im Übrigen als unbegründet zurück. Die Anforderungen an die Sachdienlichkeit eines Zwischenurteils seien im Streitfall nicht erfüllt. Die Prüfung des objektiven Tatbestandes und des subjektiven Tatbestandes habe das Finanzgericht nicht getroffen und trotzdem ein Zwischenurteil erlassen – zu Unrecht. Im weiteren Rechtsgang wird das Finanzgericht die fehlenden Feststellungen hinsichtlich einer etwaigen Steuerhinterziehung nachzuholen haben.
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