Der Bundesfinanzhof hatte bzgl. der Festsetzungsfristberechnung für den Erlass von Haftungsbescheiden bei Nichtabgabe von Steuererklärungen oder -anmeldungen zu entscheiden.
Fraglich war, ob die Anlaufhemmung (§ 191 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) auch in solchen Fällen Anwendung findet, in denen originär der Steuerschuldner (und nicht der Haftungsschuldner) gesetzlich zur Abgabe einer Steuererklärung oder -anmeldung verpflichtet ist und der Haftungsschuldner gemäß seiner Stellung als Vertreter im Sinne des § 34 AO dessen steuerliche Pflichten zu erfüllen hat und, ob die für sog. Entrichtungsschuldner entwickelte Rechtsprechung, im Falle der Haftung für Umsatzsteuer, auch für Haftungsschuldner gilt.
Der Kläger war in den Jahren 2006 bis 2011 Geschäftsführer einer GmbH (X-GmbH). Da die X-GmbH für diese Jahre keine Steuererklärungen abgegeben hatte, nahm das Finanzamt Vollschätzungen der Besteuerungsgrundlagen vor. Nach Durchführung einer Betriebsprüfung, die am 30.10.2014 angeordnet worden war und in deren Verlauf die X-GmbH Steuererklärungen abgegeben hatte, erließ das Finanzamt gegenüber der X-GmbH Änderungsbescheide zur Umsatzsteuer für 2006 bis 2011 und zur Körperschaftsteuer für 2010. Zuzüglich einer Umsatzsteuersondervorauszahlung für 2015 ergaben sich Rückstände aus Steuern, Solidaritätszuschlag und Zinsen. 2015 eröffnete das Amtsgericht über das Vermögen der X-GmbH das Insolvenzverfahren. Wegen der nicht rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärungen nahm das Finanzamt den Kläger für die vorbenannten Steuerrückstände der X-GmbH in Haftung.
Der Bundesfinanzhof vertrat die Auffassung, aus der Verweisung in § 191 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) folge, dass die Anlaufhemmung auch bei der Inanspruchnahme von Haftungsschuldnern anzuwenden sei, wenn der Haftungsschuldner aufgrund gesetzlicher Pflichten Steuererklärungen oder Steueranmeldungen für einen Vertretenen abzugeben hat. Nach Aufhebung eines vorangegangenen Haftungsbescheids bestünden Einschränkungen für den Neuerlass eines Haftungsbescheids bzw. nach den Grundsätzen von Treu und Glauben insoweit nicht, als der aufgehobene und der erneute Haftungsbescheid nicht denselben Sachverhalt beträfen. Das sei insbesondere der Fall, wenn die Inanspruchnahme auf einer anderen Haftungsnorm beruhe (Az. VII R 20/23).
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