Der Bundesfinanzhof entschied, dass ein nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) für vorläufig erklärter Steuerbescheid nicht gemäß § 165 Abs. 2 AO zu Lasten des Steuerpflichtigen geändert werden kann (Az. VI R 14/23).
Im Streitfall studierte die Klägerin nach einer dreimonatigen Ausbildung zur Rettungssanitäterin in den Jahren 2011 bis 2016 Medizin. In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2015 und 2016 machte sie die Kosten hierfür als vorab entstandene Werbungskosten (Ausbildungskosten) nach § 9 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Das beklagte Finanzamt erkannte die Aufwendungen als Werbungskosten für eine Zweitausbildung an, obwohl die gesetzliche Regelung des § 9 Abs. 6 EStG eine Mindestdauer der Erstausbildung von zwölf Monaten vorsieht. Die Einkommensteuerbescheide ergingen hinsichtlich der Abziehbarkeit der Aufwendungen für eine Berufsausbildung unter einem Vorläufigkeitsvermerk nach der hierfür in § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorgesehenen Regelung. Zur Vorschrift des § 9 Abs. 6 EStG waren zu diesem Zeitpunkt noch mehrere Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofes beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Nachdem das Bundesverfassungsgericht entschieden hatte, dass § 9 Abs. 6 EStG verfassungsgemäß sei, änderte das Finanzamt im Jahr 2021 die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre, indem es die Aufwendungen ablehnte und eine höhere Einkommensteuer festsetzte. Die Erstausbildung der Klägerin zur Rettungssanitäterin habe nur einen Zeitraum von drei Monaten umfasst, während § 9 Abs. 6 Satz 2 EStG einen Mindestzeitraum von 12 Monaten vorschreibe. Dies ging jedoch bereits aus der abgegebenen Einkommensteuererklärung der Klägerin hervor. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz vor dem Finanzgericht Köln Erfolg.
Die Richter des Bundesfinanzhofes wiesen die hiergegen gerichtete Revision des Finanzamtes als unbegründet zurück. Sie stellten klar, dass die Vorläufigkeit nach § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO dann nicht zu einer Änderung des Steuerbescheids berechtigt, wenn das Bundesverfassungsgericht das materielle Gesetz für verfassungsgemäß ansieht – wie im Streitfall. Der Fehler des Finanzamtes lag bereits darin, dass es die Werbungskosten entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Einkommensteuergesetzes berücksichtigt hatte. Ein nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO für vorläufig erklärter, rechtsfehlerhafter Einkommensteuerbescheid könne nicht – jenseits der allgemeinen Korrekturvorschriften (§§ 172 ff. AO, § 129 AO) – gemäß § 165 Abs. 2 AO zu Lasten des Steuerpflichtigen geändert werden.
Gemäß § 9 Abs. 6 Satz 1 und 2 EStG sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium nur dann Werbungskosten, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Berufsausbildung oder Studium (Erstausbildung) abgeschlossen hat oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Eine Erstausbildung liegt vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von 12 Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird.
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