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Steuern / Lohnsteuer 
Donnerstag, 26.06.2025

Schattenveranlagung bei fehlerhafter Einbehaltung der Lohnsteuer für beschränkt Steuerpflichtige

Das Niedersächsische Finanzgericht entschied, dass der Haftungstatbestand mit dem Entstehen der Einkommensteuer mit Ablauf des Kalenderjahres (§ 36 Abs. 1 EStG) weiterhin an den Lohnsteueranspruch und nicht an den bereits entstandenen Einkommensteueranspruch anknüpft mit der Folge, dass damit die vorläufig entstandene Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers Grundlage der Haftung bleibt, und nicht dessen Einkommensteuerschuld (Az. 9 K 155/22).

Im Streitfall hatte die Klägerin, eine GmbH, für zwei ihrer beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer (Ehepaar aus den Niederlanden) die Lohnsteuer fehlerhaft nach Lohnsteuerklasse I anstatt nach Lohnsteuerklasse VI einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung erließ das Betriebsstätten-Finanzamt einen Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnsteuerabzugsbeträge für die Zeit von Januar 2016 bis Dezember 2019. Die Klägerin begehrte die Aufhebung dieses Haftungsbescheides u. a. mit der Begründung, dass die tatsächliche Einkommensteuerschuld der Arbeitnehmer niedriger sei und eine Haftung aufgrund der Akzessorietät und des Fehlens eines Strafcharakters auszuscheiden habe. Zur Begründung legte die Klägerin die Einkommensteuerbescheide 2016 und 2019 sowie die Einkommensteuererklärungen 2017 und 2018 für die Arbeitnehmerin vor. Für den Arbeitnehmer fügte die Klägerin lediglich Berechnungen über die sich ergebende Einkommensteuerschuld sowie niederländische Steuerbescheide zum Nachweis der niederländischen Einkünfte bei. Das Finanzamt reduzierte daraufhin die Haftungsbeträge lediglich bezüglich der Arbeitnehmerin für 2016 und 2019, da sich aus den Einkommensteuerbescheiden eine gegenüber den Lohnsteuerbeträgen geringere Einkommensteuerschuld ergab. Im Übrigen lehnte das Finanzamt eine weitere Reduzierung der Haftungsbeträge ab. Wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung seien keine Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 erlassen worden. Das Betriebsstätten-Finanzamt sei nicht verpflichtet, insoweit sog. Schattenveranlagungen aufgrund von Einkommensteuererklärungen oder – wie im Falle des anderen Arbeitnehmers – vorgelegten Steuerberechnungen durchzuführen.

Das Niedersächsische Finanzgericht wies die Klage als unbegründet ab:

  • Der Wortlaut des § 38a Abs. 1 Satz 1 EStG („Jahreslohnsteuer“) und § 42d Abs. 1 Nr. 1 und 3 EStG sprächen dafür, dass sich die Haftung nach Ablauf des Kalenderjahres auf diese Jahreslohnsteuer beziehe und nicht auf eine zu diesem Zeitpunkt entstehende Einkommensteuer des Arbeitnehmers.
  • Auch steuersystematisch sei diese Auslegung geboten. Das Einkommensteuergesetz trenne streng nach Lohnsteuerabzugsverfahren und Veranlagungsverfahren (§ 46 EStG).
  • Das Lohnsteuerabzugsverfahren beschränke sich auf die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und habe keine Bindungswirkung für ein späteres Veranlagungsverfahren.
  • Aus den gleichen Gründen ist nach Auffassung der Richter auch nicht von Belang, ob eine abgegebene Einkommensteuererklärung – wie im Streitfall – infolge Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht in einen Einkommensteuerbescheid mündet oder sich aufgrund von vorgelegten Berechnungen ggf. eine geringere Einkommensteuerschuld ergibt.
  • Alles andere würde dazu führen, dass das Betriebsstätten-Finanzamt des Arbeitgebers in solchen Fällen sog. Schattenveranlagungen durchführen und die Aufgaben des Veranlagungsfinanzamts übernehmen müsste.
  • Eine derartige Vermischung von Lohnsteuerabzugs- und Veranlagungsverfahren sei jedoch steuersystematisch verfehlt und verfassungsrechtlich nicht geboten. Denn die Haftung für die Jahreslohnsteuer – ohne Betrachtung der tatsächlichen Einkommensteuerschuld – stelle keine Strafsteuer dar, sondern entspreche vielmehr den gesetzlichen Vorschriften.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Revision ist beim Bundesfinanzhof anhängig (Az. VI R 8/25).

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