Der Bundesfinanzhof entschied, dass aufgrund des deutlichen und nachhaltigen Anstiegs der Marktzinsen, der seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 zu verzeichnen ist, jedenfalls seit März 2022 keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung über die Höhe der Säumniszuschläge bestehen (Az. X B 21/25 (AdV)). Nach § 240 der Abgabenordnung ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des rückständigen Steuerbetrags zu entrichten, umgerechnet auf das Jahr also 12 Prozent.
Im Streitfall vertrat das Finanzamt die Ansicht, für die Zeit von März bis Dezember 2022 seien Säumniszuschläge entstanden, weil die Antragstellerin fällige Einkommensteuer nicht gezahlt habe. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin in einem Eilverfahren und begehrte Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Pflicht zur Zahlung der Säumniszuschläge. Erstinstanzlich hatte der Antrag Erfolg. Das Finanzgericht Köln gewährte AdV mit der Begründung, dass in der Vergangenheit mehrere Senate des Bundesfinanzhofs in vergleichbaren Fällen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge bejaht hätten.
Im nachfolgenden Beschwerdeverfahren sahen die Richter des X. Senats des Bundesfinanzhofs dies für die Zeit ab März 2022 nun anders. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die frühere gesetzliche Regelung über die Höhe von Nachzahlungszinsen (0,5 Prozent pro Monat bzw. 6 Prozent pro Jahr) aufgrund der andauernden Niedrigzinsphase ab 2014 verfassungswidrig und ab 2018 nicht mehr anzuwenden sei. Es könne jedoch offenbleiben, ob dies auf Säumniszuschläge übertragbar sei, denn mit dem deutlichen und sehr schnellen Zinsanstieg, der mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine eingesetzt habe, sei die ausgeprägte Niedrigzinsphase der Vorjahre beendet gewesen. Das gestiegene Zinsniveau habe bis heute Bestand. Daher könne die Höhe der Säumniszuschläge seitdem nicht mehr als realitätsfremd angesehen werden.
Gleichwohl hatte die Beschwerde des Finanzamts im Ergebnis keinen Erfolg, denn die Behörde hatte in ihrem Bescheid formuliert, sie werde die Aussetzung der Vollziehung der offenen Einkommensteuerforderung ab Fälligkeit gewähren, sofern eine Sicherheitsleistung erbracht werde. Da die Antragstellerin die geforderte Sicherheit tatsächlich erbracht hatte, bejahte der Bundesfinanzhof ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Finanzamts, die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer nicht rückwirkend ab Fälligkeit zu gewähren. Bei einer rückwirkenden AdV-Gewährung wären entstandene Säumniszuschläge wieder entfallen.
Zurück zur ÜbersichtDie Fachnachrichten in der Infothek werden Ihnen von der Redaktion Steuern & Recht der DATEV eG zur Verfügung gestellt.
10713 Berlin
Die an dieser Stelle vorgesehenen Inhalte können aufgrund Ihrer aktuellen Cookie-Einstellungen nicht angezeigt werden.
Diese Webseite bietet möglicherweise Inhalte oder Funktionalitäten an, die von Drittanbietern eigenverantwortlich zur Verfügung gestellt werden. Diese Drittanbieter können eigene Cookies setzen, z.B. um die Nutzeraktivität zu verfolgen oder ihre Angebote zu personalisieren und zu optimieren.
Diese Webseite verwendet Cookies, um Besuchern ein optimales Nutzererlebnis zu bieten. Bestimmte Inhalte von Drittanbietern werden nur angezeigt, wenn die entsprechende Option aktiviert ist. Die Datenverarbeitung kann dann auch in einem Drittland erfolgen. Weitere Informationen hierzu in der Datenschutzerklärung.